Die Entscheidung, spät Mama zu werden, war nicht meine eigene. Nicht direkt zumindest. Mein Körper fällte sie für mich.
Als ich 30 Jahre alt war, erkrankte ich an einem Tumor, der im Unterleib saß. Und der all meine in den Jahren zuvor naiv verfassten Pläne zunichte machte. Ich wollte Kinder, immer schon. Zwei, noch besser vier. Mädchen und Jungs. Am besten erst die Jungs, damit die Mädchen später coole große Brüder hätten, die sie beschützten und dafür sorgten, dass sie heil von der Disco nach Hause kämen (ja, als ich jung war, hieß das noch Disco). Ich suchte mir sogar einen Beruf aus, den ich für familienkompatibel hielt.
Ich wollte all das. Immer schon. Schließlich war ich selbst mit einer Schwester aufgewachsen, die ich sehr liebe. Mit 30 heiraten, Kinder kriegen, ein Haus kaufen. Das volle Programm.
Und dann kam der Tumor.
Ich möchte an dieser Stelle nicht so sehr auf meine Krankheit eingehen. Sie ist ein Teil von mir, aber eben auch ein sehr Persönlicher. Fünf Jahre lang hat sie mich begleitet, mich beschäftigt. Und als ich mit ihr fertig war, sie weitestgehend besiegt hatte, war ich 35 Jahre alt. Mittlerweile zwar verheiratet und statt in einem Haus in einer schicken Altbauwohnung, aber an einem Punkt, an dem ich manchmal selbst die Hoffnung verlor, jemals mein eigenes Kind in den Armen zu halten. Nein, es mussten nicht mehr vier sein. Nur dieses Eine bitte.
Mein Sohn ist mein persönliches kleines Wunder.
Das Beste, das ich jemals gemacht habe. Gegen die Prognosen vieler Ärzte. Mit 36 Jahren bin ich schließlich schwanger geworden, mit 37 war ich endlich eine Mami. Ja, ich bin spät Mama geworden. Aber ich bin eine Mama. Das ist alles was zählt.
Heute ist mein Sohn zwei Jahre alt. Manchmal ertappe ich mich dabei, wie ich rechne: Wenn er so alt ist wie ich jetzt, bin ich Mitte 70. Das ist heutzutage ganz normal. Und doch beschäftigen mich viele Fragen. Wie viel werde ich von seinem Leben mitbekommen? Werde ich meine Enkelkinder kennenlernen? Und auch: Ist es zu spät für ein zweites Kind? Wir wollten uns zunächst ganz auf ihn einlassen, ihm all unsere Zeit schenken. Dürfen wir das Schicksal noch einmal herausfordern? Wollen wir das überhaupt? Bin ich mit 39 zu alt dafür?
Und dann denke ich wieder: Es ist alles gut so wie es ist.
Nein, es sind keine vier Kinder geworden. Aber dafür ein ganz Besonderes. Ja, er wäre ganz bestimmt ein toller großer Bruder. Aber dafür ist er jetzt ein kleiner Cousin – von einer älteren Cousine und zwei Cousins, die ihn über alles lieben und mit denen er sehr eng aufwächst. Ja, ich wäre gerne jünger gewesen bei meinem ersten Kind. Aber dafür durfte ich vorher viel lernen – über das Leben, über mich.
Eine Freundin ließ auf die Geburtskarten ihres Sohnes einen Satz drucken, der mich seitdem begleitet:
„Es kommt nicht drauf an, wie lange man wartet. Sondern auf wen.“
Wir haben auf Dich gewartet. So sehr.
Fotos: Markus Drühe
2 Comments
Hallo Northstar, vielen Dank für deine lieben Worte! Tatsächlich bin ich zum zweiten Mal schwanger geworden und mittlerweile in der 33. Woche. Manchmal kann ich mein Glück selbst nicht fassen. Ich werde es wahrscheinlich erst glauben, wenn die Kleine auf der Welt ist. Ganz liebe Grüße zurück! Laura
Liebe Laura,
Deine Geschichte ist herzzerreißend und schön. Ich wollte nur sagen, es ist nicht zu spät um nochmal Mutter zu werden. Ich habe selbst mit 41 nochmal Nachwuchs bekommen. Es ist das dritte Kind und hat sich ganz heimlich bei uns eingeschlichen. Die beiden Geschwister sind schon etwas älter und ich habe mir die gleichen Gedanken gemacht. Jetzt ist er da und wir sind alle sehr glücklich mit dem kleinen Rabauken.
Du hast tatsächlich noch Zeit. Wenn es Dein Herzenswunsch ist, dann ran an den Speck!
Ganz liebe Grüße und alles Gute!