Eva Marie Lobmaier (41) ist nicht nur unsere Mom der Woche. Sie ist auch seit knapp 30 Jahren (!) eine sehr gute Freundin von Laura. Kennengelernt haben sich die Beiden in der Schule und Laura erinnert sich noch gut daran, wie Eva schon in der Schule ihre Hefte mit kunstvollen Modezeichnungen verzierte. Nach einer Ausbildung zur Herrenschneiderin und Modedesignerin zog es das gebürtige Nordlicht (Eva ist in einem wunderschönen Bauernhaus in der Nähe von Stade aufgewachsen) in die Ferne. Nach einem Stopp in Herzogenaurach bei Adidas ging’s nach Shanghai, dann auf Weltreise, später folgten Zürich und Berlin. Seit vier Jahren wohnt Eva nun mit ihrem Mann (einem Deutschen, den sie in Shanghai kennengelernt hat) in Seattle. Dort arbeitet sie als Lead-Designerin für REI, Amerikas größten Outdoor-Retailer. In Seattle kamen auch ihre beiden Töchter Sitka (knapp 2) und Tilda (4 Monate) zur Welt. Im Interview erzählt sie uns, wie ihr das Leben in den USA gefällt, was sie am meisten an Deutschland vermisst und wieso Seattle für sie einer der schönsten Orte der Welt ist.
Wie gefällt euch euer Leben in Seattle – vor allem, seitdem ihr zwei Kinder habt?
Wir sind eigentlich durch Zufall in Seattle gelandet. Mein Mann hatte hier ein Jobangebot, und nachdem wir einen Look-See-Trip gemacht haben, dachten wir uns: „Warum eigentlich nicht?“. Die Region hier ist sehr skandinavisch beeinflusst, und obwohl die USA nie ein Traum-Land von mir waren (zu aufgesetzt, dachte ich), hat es mir hier gleich gefallen, und wir haben uns sehr schnell in den Pacific North West verliebt. Die Outdoor-Möglichkeiten hier sind einfach einzigartig durch die Mischung aus Bergen und Meer. Und für uns war das perfekt, denn ich liebe das Meer und mein Mann die Berge.
Da wir uns hier so wohl und zu Hause fühlen, haben wir dann auch irgendwann den Entschluss gefasst, Kinder zu bekommen. Das war für uns nie eine Priorität, denn wir waren eigentlich immer fröhliche Nomaden. Eine eigene Familie zu gründen hat sich hier richtig und gut angefühlt. Die erste Deern kam also im Winter 2018 und die zweite diesen Sommer.
Kinder werden hier wirklich mindestens genauso heiß geliebt wie Hunde (ohne Witz: ich habe noch nie so viele Hundebesitzer in einer Stadt gesehen). Da passiert es dir als Schwangere auch schon mal, dass dir von Fremden der Bauch gestreichelt wird oder du im Supermarkt von JEDEM Mitarbeiter gefragt wirst: „Oh wie süß, wie alt ist denn die Kleine?“. Und das gerne alle zwei Wochen… Seattle ist eine grüne Stadt mit viel Wasser, dem Meer, Inseln und Bergen, alles quasi vor der Haustür. Da gibt es immer etwas zu entdecken – für uns ist das Beste immer noch der Wald. „Baum“ war eines der ersten Worte unserer älteren Tochter.
Was haben Corona und Trump deiner Meinung nach aus dem Land gemacht?
Im Jahr unserer Ankunft 2016 wurde Trump zum Präsidenten gewählt. Meine Kollegen standen wie unter Schock über den Ausgang dieser Wahl. Vielen war es geradezu „unangenehm“ vor mir als Europäerin, und bei manchen hat es eine richtig existenzielle Panik ausgelöst. Ich hatte den Eindruck, dass sich über die vier Jahre von Trumps Amtszeit ein dunkler Schleier über viele gelegt hat, der jetzt mit dem Wahlergebnis 2020 wieder etwas gelüftet wurde.
Hast du die Hoffnung, dass es nun besser wird?
Biden & Harris haben viel zu tun, um dieses geteilte Land auch nur im Ansatz wieder zu einen. Dann sind da noch die Pandemie, die Wirtschaftskrise, der Klimawandel, der systemische Rassismus, der aufgebrochen werden muss… Eine Amtszeit wird ihnen nicht reichen, um maßgebliche Veränderungen zu erreichen. Aber allein die Tatsache eines demokratischen Wahlsieges erleichtert viele Leute und lässt sie neue Hoffnung für die Zukunft schöpfen. Das ist gut.
Wie schnell musstest du nach der Geburt deiner ersten Tochter wieder arbeiten?
Ich habe großes Glück mit meinem Arbeitgeber, der sich sehr für die Natur, Gesellschaft und die Familien seiner Mitarbeiter einsetzt. Zusätzlich unterstützt mich meine Chefin, denn sie musste selbst nach nur acht Wochen wieder voll arbeiten. So konnte ich mit meiner ersten Tochter ca. sechs Monate frei nehmen und bei der Zweiten wird es ähnlich sein. Das ist extrem lang für die USA, und nur die Hälfte der Zeit wird finanziell unterstützt (seit diesem Jahr haben sich die Regeln im State of Washington geändert und man kann eine Unterstützung vom Staat beantragen). Das klang für meine deutschen Freundinnen immer schrecklich – klar! – gerade Deutschland ist ja auch das reinste Schlaraffenland, was den Mutterschutz und staatliche Unterstützung angeht. Aber hier bin ich total froh, überhaupt so lange frei zu bekommen.
Welche Aufgabenverteilung hast du mit deinem Mann?
Mein Mann hat während seiner Vaterzeit (aka: vier Wochen unbezahlter Urlaub) seinen Job verloren. Also war ich auf einmal Hauptversorgerin der Familie und bin quasi sofort wieder auf 100% gegangen. Berufstätige Frauen müssen hier oft auf ihre Eltern zurückgreifen oder eben mit privatem Daycare oder Nanny arbeiten. Die Kosten sind dann meistens so hoch, dass ein Gehalt schnell nur dafür drauf gehen kann, aber was soll man machen…. Ganz ohne Familie hier ist es schon ziemlich hart, aber wir haben das Glück mit unseren sehr lieben Nachbarn eine super Nanny zu teilen. Sie haben einen Sohn im gleichen Alter. Die Kinder lieben sie und wir auch, denn sie erzieht die Kinder sachlich und liebevoll zu selbständigen kleinen Menschen. Und unsere Tochter lernt neben Englisch auch gleich noch etwas Portugiesisch.
Wie sieht gerade ein typischer Tag bei dir aus?
Gegen 5 Uhr morgens stille ich die Kleine nochmal, damit sie möglichst lange schläft. So kann ich mich dann morgens ab ca. 6 Uhr ganz in Ruhe um die Ältere kümmern. Ich liebe diese Zeit, die wir nur für uns beide haben, denn mein Mann fängt momentan zwischen 5 und 6 Uhr an zu arbeiten (aus dem Homeoffice versteht sich). Ab 8 Uhr ist die Ältere dann bei der Nanny, und mein Tag mit Nummer 2 beginnt. Ich genieße die Tage mit ihr sehr, denn ich weiß, dass sie gezählt sind, bevor der Alltag mit Arbeit wieder los geht. Ich wuppe momentan den Haushalt inklusive Kochen etc. da mein Mann seit kurzem wieder arbeitet und sehr eingebunden ist. Nebenher versuche ich dann noch meine eigenen Bedürfnisse nicht zu vernachlässigen, einmal am Tag spazieren oder Yoga muss sein!
Um 16 Uhr kommt die Große wieder heim und wir gehen meistens alle gemeinsam noch eine Runde um den Block oder auf den Spielplatz, bevor wir dann um 17.30 Uhr mit Kochen und anschließendem Abendessen beginnen. Gegen 20 Uhr schlafen beide Kinder, und dann bleibt mir noch eine Stunde mit Vorbereitungen für den nächsten Tag, bzw. mich mit meinem Mann auszutauschen, bevor ich total k.o. ins Bett falle.
Was vermisst du am meisten an Deutschland?
Es ist super schwierig hier Kleidung aus Naturfasern wie Wolle / Seide oder auch Holzspielzeug für die Kinder zu bekommen. Auch den Ökonahrungsmitteln oder biologischen Milchpulvern traue ich hier nicht über den Weg. Es gibt zwar zig Label und Siegel, aber wer die kontrolliert, ist oft unklar. Also bestelle ich vieles aus Deutschland, das dann von den Großeltern geschickt wird. Außerdem fehlt uns natürlich die selbstverständliche Sicherheit eines staatlichen sozialen Netzwerks, vor allem als Familie. Ich habe zum Beispiel eine zweiwöchige Kündigungsfrist, würde dann sechs Monate Arbeitslosengeld bekommen und wäre danach komplett ohne finanzielle Hilfe und ohne Krankenversicherung. Eine eher unheimliche Vorstellung! Aber das erklärt auch die wahnsinnig hohe Obdachlosenrate hier.
Du bist schon viel rumgekommen in deinem Leben. Wo hat es dir bisher am besten gefallen? Verrätst du uns deine Lieblingsplätze?
Nach Shanghai, Berlin und Zürich ist Seattle bisher mit Abstand der schönste Ort zu leben, denn die Mischung aus Outdoor- Adventure und Stadt (auch durch Portland, OR im Süden und Vancouver im Norden) sind genial. Meine Lieblingsorte hier: der Looptrail im Discovery Park und die „Elliot Bay Book Company“. In Shanghai: die Bambuswälder in Moganshan etwas außerhalb und das Café „Baker&Spice“ in der French Concession. In Zürich die Sauna am See und das Café Zentral.
Was steht in diesem Moment ganz oben auf deiner To-Do-Liste?
Ich bemühe mich momentan sehr, mich fit zu halten, denn die beiden Schwangerschaften haben meinen Körper extrem beansprucht. Mit 40 Kinder zu bekommen ist kein Zuckerschlecken… zumindest für mich nicht. Also sind Schlafen, Fitness und Ernährung oberste Priorität (gerne auch in eben dieser Reihenfolge).
Und wovon brauchst du gerade eine Pause?
Eine Pause könnte ich momentan von meinen eigenen vier Wänden gebrauchen. Denn seit März und dem Lockdown im April, bin ich nicht mehr viel rausgekommen. Mir geht das Nicht-Reisen auf die Nerven, meine Familie in Deutschland fehlt mir sehr.
Welchen SOS-Tipp hast du für Mamis in einer Stresssituation?
Durchatmen und raus in die Natur. Waldbaden entspannt den Kopf.
Welches Buch liegt zurzeit auf deinem Nachttisch?
„How to be an AntiRacist“ von Ibram X. Kendi
Wie bleibt man glücklich – nicht nur als Eltern, sondern auch als Paar?
Sich selber nicht zu ernst nehmen und Sachen auch mal gut sein lassen. Bei uns im Speziellen funktioniert es auch übers Kochen. Ich bin ein Foody und Liebe geht bei mir ganz klar durch den Magen.
Was ist gerade das Beste an deinem Leben?
In der Überzahl zu sein: drei Frauen in der Familie sind super (mein Mann hat keine Ahnung, was auf ihn zukommen wird…).
Wo siehst du dich nächstes Jahr um diese Zeit?
Das nächste Jahr scheint noch Lichtjahre entfernt… Momentan konzentriere ich mich darauf, den Moment zu genießen und nicht zu viel über die Zukunft nachzudenken.
Liebe Eva, wir danken dir für deine offenen und ehrlichen Antworten und den interessanten Einblick in dein Leben in Seattle. Und Laura würde sich sehr freuen, dich bald endlich wieder in die Arme zu schließen!!
Du willst unsere „Mom der Woche“ werden? Dann melde dich einfach bei uns unter info(at)mamiful.de Wir freuen uns auf dich und deine Geschichte.
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Fotos: privat
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